Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken, Beschluss vom 26.09.2024, 7 U 108/23

Gegenstand der Entscheidung:

Abweisung einer Klage auf Rückzahlung eines gewerblichen Darlehens nach Kündigung und Vergleichsvereinbarung wegen Verjährung.

Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken, Beschluss vom 26.09.2024, 7 U 108/23

Pfälzisches Oberlandesgericht

Zweibrücken

Beschluss

In dem Rechtsstreit

Deutsche Apotheker- und Ärztebank eG, vertreten durch d. Vorstand, Richard-Oskar-Mattern-Straße 6, 40547 Düsseldorf,

- Klägerin und Berufungsklägerin -

Prozessbevollmächtigte: 

 

gegen

 

- Beklagter und Berufungsbeklagter -

 

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Stader Rechtsanwälte PartG mbB, Vogelsanger Straße 197a, 50825 Köln,

 

wegen Forderung aus Vergleichsvereinbarung,

 

hat der 7. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzen den Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgericht am 26.09.2024 beschlossen:

 

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 26.10.2023, Az. 4 O 410/22, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil der Senat einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

 

2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 18.10.2024. Der Senat erachtet diese Frist für ausreichend bemessen; mit Fristverlängerungen kann nur in begründeten Fällen gerechnet werden.

 

Gründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist offensichtlich unbegründet. Das Landgericht ist zu Recht zu dem Schluss gekommen, dass einerseits die nach der Vergleichsvereinbarung

vom 19.05.2014 seitens des Beklagten zu leistenden Zahlungen zwar nicht zum vollständigen Erlöschen der ihm gegenüber bestehenden Ansprüche der Klägerin geführt haben, andererseits die Durchsetzung der gegenüber dem Beklagten fortbestehenden Ansprüche infolge der erhobenen Verjährungseinrede (§ 214 Abs. 1 BGB) aber dauerhaft gehemmt ist.

Die hiergegen gerichteten Angriffe der Berufung müssen ohne Erfolg bleiben.

 

1.

Die Klägerin stützt dem Grunde nach zu Recht die von ihr geltend gemachten Zahlungsansprüche auf die Vergleichsvereinbarung vom 19.05.2014. Die Auslegung eines Vergleichs richtet sich nach den allgemeinen Regeln (§§ 133, 157 BGB) und erfolgt unter Berücksichtigung der Gesamtumstände; insbesondere können neben den eigentlichen Vertragserklärungen vorangehende Verhandlungen und begleitende Schriftwechsel heranzuziehen sein (MünchKommBGB/Habersack, 9. Aufl. 2024, BGB § 779 Rn. 47). Diese Auslegung führt im Streitfall zu dem Ergebnis, dass Ansprüche der Klägerin gegenüber dem Beklagten dem Grunde nach weiterbestehen.  Die Parteien haben in Ziffer 1 des Vergleichs das Bestehen der (dort nicht näher bezeichneten) Schuld des Beklagten gegenüber der Klägerin i.H.v. 107.604,28 € sowie deren sofortige Fälligkeit festgehalten. Weiter haben die Parteien dort das Bestehen einer Höchstbetragsbürgschaft gegenüber der Bürgin i.H.v. 30.000,00 € festgehalten. In den nachfolgenden Ziffern haben sie die Zahlungsmodalitäten (Ziffer 2) ebenso geregelt wie einen bedingten Forderungsverzicht der Klägerin für den Fall, dass diese Zahlungsmodalitäten eingehalten werden (Ziffer 3). Letzteres ist unstreitig nicht der Fall gewesen. Ausweislich Ziffer 2.c. Absatz 5 der Vergleichsvereinbarung sollte die Vergleichsvereinbarung u.a. dann hinfällig sein, sofern die Bürgin mit einer der ihr gemäß Ziffer 2.c. obliegenden Zahlungen ganz oder teilweise länger als zwei Wochen in Verzug kommen würde. Der Eintritt eines derart qualifizierten Verzugs der Bürgin im Jahre 2017 ist unstreitig. Damit war die gesamte Vergleichsvereinbarung gemäß Ziffer 2.c. Absatz 5 der Vereinbarung hinfällig, ohne dass es der weiteren Ausübung eines Gestaltungsrechts der Klägerin (etwa in Gestalt der unter dem 29.08.2017 erklärten Kündigung) bedurfte. Denn in der Vereinbarung über die Hinfälligkeit der Vereinbarung lag eine auflösende Bedingung, mit deren (unstreitigem) Eintritt der Rechtszustand vor Abschluss der Vereinbarung – unter Berücksichtigung bereits erbrachter Tilgungsleistungen – wieder eintrat (§ 158 Abs. 2 BGB). Entgegen der Auffassung des Beklagten beschränkte sich der Eintritt dieses vorherigen Rechtszustandes jedoch nicht auf das Verhältnis zur Bürgin, sondern umfasst auch das Verhältnis zum Beklagten. Das Verhältnis von Hauptschuld und Bürgschaft ist hier dadurch gekennzeichnet, dass die Bürgin auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hatte (§§ 771, 773 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Mit einem solchen Verzicht entfällt die Subsidiarität der Bürgenhaftung, d.h. der Gläubiger kann sich auch dann unmittelbar an den Bürgen halten, wenn ein Vorgehen gegen den Hauptschuldner Erfolg versprechend erscheint (vgl. BGH NJW 2006, 3275 Rn. 49; NJW 2010, 1284 Rn. 20; MünchKommBGB/Habersack, 9. Aufl. 2024, BGB § 773 Rn. 5). Dass die Klägerin im gleichen Zuge auf die weitere Inanspruchnahme des Beklagten als ihres Hauptschuldners verzichtet hätte, liegt hingegen fern. Die Annahme eines „Verzichts“ des Gläubigers auf ihm zustehende Forderungen ist nie zu vermuten; vielmehr stellt ein Erlassvertrag die Ausnahme dar, die grundsätzlich eindeutig erklärt werden muss und auf konkludentem Wege nur dann erfolgen kann, wenn ein solcher Wille zweifelsfrei feststellbar ist und in der Interessenlage einen plausiblen Hintergrund findet (vgl. nur BGHZ 111, 97, 101; BGH NJW 2001, 2324 f.; NJW 2006, 1511, 1512; NZG 2017, 542, 546). Im7 U 108/23 - Seite 4 - Streitfall fehlt es jedoch sowohl an einer eindeutigen Erklärung der Klägerin als auch jeglichen Anhaltspunkten für eine konkludente Erklärung dieses Inhalts; vielmehr zeigt die Regelung in Ziffer 3. des Vergleichs, dass ein partieller Forderungserlass nur unter den dort erwähnten, unstreitig nicht eingetretenen Voraussetzungen erfolgen sollte. Indem auf der einen Seite in Ziffer 2.a. und 2.b. der Vergleichsvereinbarung nur eingeschränkte Zahlungsverpflichtungen des Beklagten vorgesehen sind, auf der anderen Seite in Ziffer 2.c. Absatz 5 bei Eintritt des qualifizierten Verzugs der Bürgin „die Restforderung in voller Höhe fällig“ werden sollte, haben die Klägerin und der Beklagte im Hinblick auf die restliche „Schuld“ lediglich eine die Fälligkeit der Restforderung beseitigende Stundung vereinbart (vgl. BGH NJW 1998, 2060, 2061). Ein Erlass der Restforderung im Verhältnis zum Beklagten wurde hingegen erkennbar nicht vereinbart.

 

2.

Der Anspruch der Klägerin ist jedoch infolge der von der Beklagten erhobenen Verjährungseinrede (§ 214 Abs. 1 BGB) dauerhaft nicht durchsetzbar. Die Vergleichsvereinbarung enthält keine besonderen Regelungen zur Verjährung. Die Ansprüche der Klägerin gegenüber dem Beklagten aus dem Vergleich verjähren damit in der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (§§ 195, 199 BGB). Nach zutreffender Auffassung des Landgerichts begann diese Verjährungsfrist mit Ablauf des 31.12.2017 zu laufen. Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem (1.) der Anspruch entstanden ist und (2.) der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 BGB). Die Voraussetzungen von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB lagen schon bei Abschluss der Vergleichsvereinbarung vor. Die Entstehung des Anspruchs i.S.v. § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB hingegen erfolgte erst 2017. Denn ein Anspruch ist i.S.d. § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB entstanden, sobald er erstmals geltend gemacht und im Wege der Klage durchgesetzt werden kann. Dafür genügt es nicht, dass der Schuldner die anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmale verwirklicht hat und der Anspruch daher nach allgemeiner Terminologie entstanden ist. Vielmehr ist darüber hinaus grundsätzlich die Fälligkeit des Anspruchs erforderlich, die dem Gläubiger die Möglichkeit der Leistungsklage verschafft (vgl. BGH NJW-RR 2023, 480 Rn. 20 m.w.N.). Diese Voraussetzung lag erst 2017 vor, da erst der Wegfall der Vergleichsvereinbarung auch die darin vereinbarte Stundung im Verhältnis zum Beklagten beseitigt hat. Damit begann die Verjährung zum Ende des Jahres

2017 und endete grundsätzlich am 31.12.2020, so dass sie nicht mehr durch die mit Schriftsatz vom 20.12.2022 erfolgte Klageerhebung gehemmt werden konnte. Entgegen der Meinung der Klägerin bedeutet die Regelung in Ziffer 2.c. Abs. 5 der Vergleichsvereinbarung nicht, dass die Stundung erst mit Ablauf des 31.12.2019 geendet hätte. Denn die Regelung zur Rechtsfolge des Verzugseintritt ist eindeutig dahingehend formuliert, dass dann „diese Vergleichsvereinbarung hinfällig und die Restforderung in voller Höhe fällig“ werden sollte. Der Begriff „Vergleichsvereinbarung“ kann nur auf die mit „Vergleichsvereinbarung“ überschriebene Gesamtforderung, nicht hingegen auf einen Teil derselben – nämlich auf das Rechtsverhältnis zur Bürgin – beschränkt werden. Gleichermaßen bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass mit „Restforderung“ nur die restliche Forderung aus der Bürgschaft gemeint sein sollte. Für eine derartige Auslegung ist gerade unter Berücksichtigung der Interessen der Klägerin kein Raum. Denn bei einem vorzeitigen Verzugseintritt in Person der Bürgin ist nicht erklärlich, warum die Klägerin dann noch daran gehindert sein sollte, bis Ende 2019 mit einem weiteren Vorgehen gegen den Beklagten zuzuwarten, wenn doch eine weitere Inanspruchnahme der Bürgin keinen Erfolg mehr versprochen hätte. Auch die beiden Zahlungen vom 05.03.2018 und 08.01.2019 führen zu keinem anderen Ergebnis. Selbst – zugunsten der Klägerin – unterstellt, diese Zahlungen hätten jeweils die Anforderungen an ein Anerkenntnis i.S.v. § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB erfüllt, hätte die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB dann schon mit dem auf das Anerkenntnis folgenden Tag – und nicht erst mit dem Ablauf des Jahres 2019 – neu zu laufen begonnen (vgl. BGH NJW 2013, 1430 Rn. 6; BeckOK BGB/Henrich, 71. Ed. 1.8.2024, BGB § 212 Rn. 15), also am 09.01.2019. Die Verjährungsfrist wäre dann am 10.01.2022 abgelaufen (§ 193 BGB analog; vgl. BGH NJW 2014, 3435 Rn. 10). Auch in diesem Falle hätte der Ablauf der Verjährungsfrist nicht mehr durch die mit Schriftsatz vom 20.12.2022 erfolgte Klageerhebung gehemmt werden können.

 

3.

Demnach kann die Berufung der Klägerin offensichtlich keinen Erfolg haben. Da auch die übrigen Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO vorliegen, ist eine Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung zulässig und im vorliegenden Falle auch geboten. Auf die im Fall der Berufungsrücknahme eintretende Reduzierung der Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (Nrn. 1220, 1222 KV GKG) weist der Senat hin.

 

Vorsitzender Richter

am Oberlandesgericht

 

Richter

am Oberlandesgericht

 

Richterin

am Landgericht

Verfahrensführender Anwalt

David Stader
Fachanwalt für Bankrecht & Kapitalmarktrecht

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