Landgericht Berlin, Urteil vom 20.09.2023, 10 O 193/22
Gegenstand der Entscheidung:
Anspruch eines Bankkunden auf Erstattung unautorisierter Zahlungen gegen die kontoführende Bank (DKB) Relevante Vorschriften: §§ 675u, 675v BGB.
Landgericht Berlin, Urteil vom 20.09.2023, 10 O 193/22
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
[…]
- Kläger -
Prozessbevollmächtigte
Rechtsanwälte Stader PartG mbB, Vogelsanger Straße 197 a, 50825 Köln
gegen
Deutsche Kreditbank AG, vertreten durch d. Vorstand, dieser vertreten durch d. Vorsitzenden Stefan Unterlandstättner, Taubenstraße 7 - 9, 10117 Berlin
- Beklagte -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte […]
hat das Landgericht Berlin - Zivilkammer 10 - durch den Richter am Landgericht [...] als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12.07.2023 für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger einen Betrag in Höhe von 6.255,09 € zu erstatten und das bei ihr geführte Konto des Klägers mit der IBAN […] auf den Stand zu bringen, auf dem es sich ohne die Belastung durch den Zahlungsvorgang in dieser Höhe am 13.06.2022 befunden hätte.
2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 713,76 € freizustellen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Erstattung einer Überweisung in Anspruch, deren Autorisierung er bestreitet.
Der Kläger führt seit Januar 2010 bei der Beklagten ein Privatgirokonto mit der IBAN [...] nebst dazugehöriger VISA-Debitkarte, welche er zunächst nicht aktivierte.
Am 08.06.2022 erfolgten zwei „Kartenzahlungen“ von dem Girokonto des Klägers, eine in Höhe von 3.490,09 € an „crypto.com“, eine in Höhe von 2.765,00 € an „CRO“. Der Kläger monierte die- se Zahlungen bei der Beklagten als von ihm nicht autorisiert und erstattete Strafanzeige bei der Polizei. Mit E-Mail vom 04.07.2022 forderte er die Beklagte zur Gutschrift des Betrages von 6.255,09 € auf. Nachdem die Beklagte eine Zahlung abgelehnt hatte, ließ der Kläger sie mit Schreiben seines nunmehrigen Prozessbevollmächtigten vom 29.07.2022 nochmals zur Erstattung auffordern, wofür dieser ihm einen Betrag von 713,76 € in Rechnung stellte.
Der Kläger beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, ihm den nicht autorisierten Betrag in Höhe von 6.255,09 € zu erstatten und sein bei ihr geführtes Konto mit der IBAN […] auf den Stand zu bringen, auf dem es sich ohne die Belastung durch den Zahlungsvorgang in dieser Höhe am 13.06.2022 befunden hätte;
2. die Beklagte zu verurteilen, ihn von den vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 713,76 € freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie behauptet, der Kläger habe die Debitkarte am 31.03.2022 aktiviert und am 08.06.2022 die DKB-App eingerichtet und die Karte zur Nutzung im Online-Handel freigeschaltet. Der dafür erforderliche Freischaltcode sei an die von dem Kläger hinterlegte Mobilfunknummer versandt worden. Für die Freischaltung habe sich der Kläger mit seinen Zugangsdaten in sein Online-Konto einlog- gen müssen. Sie ist der Ansicht, der Beweis des ersten Anscheins spreche für eine Autorisierung der Zahlungen durch den Kläger. Jedenfalls aber stünde ihr gegen den Kläger ein Schadensersatzanspruch zu, da dem Kläger im Umgang mit den Authentifizierungsinstrumenten jedenfalls grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen sei, wofür ein Anscheinsbeweis spreche.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
I.
1.
Dem Kläger steht aus § 675 u Satz 2 BGB ein Anspruch auf Erstattung der erfolgten Belastungsbuchungen seines Girokontos über insgesamt 6.255,09 € zu, weil er die beiden Überweisungen nicht autorisiert hat.
Nach der genannten Vorschrift ist der Zahlungsdienstleister (ZDL) im Falle eines nicht autorisierten Zahlungsvorgangs verpflichtet, dem Zahler den Betrag durch Buchung einer entsprechenden Gutschrift wieder gut zu schreiben, sofern der Betrag einem Zahlungskonto belastet worden ist. Einen Aufwendungsersatzanspruch (§§ 675 c Abs. 1, 675, 670 BGB) hat der ZDL bei einem nicht autorisierten Zahlungsvorgang nicht, § 675 u Satz 1 BGB).
Autorisiert ist ein Zahlungsvorgang, wenn der Zahler diesem zugestimmt hat. Art und Weise der Zustimmung sind zwischen dem Zahler und dem ZDL zu vereinbaren. Insbesondere kann verein- bart werden, dass die Zustimmung mittels eines bestimmten Zahlungsinstruments erteilt werden kann (§ 675 j Abs. 1 BGB).
Vorliegend ist streitig, ob die am 08.06.2022 vom Girokonto erfolgten Überweisungen vom Kläger mit dem 3D-Secure-Verfahren autorisiert worden sind. Voraussetzung für eine Autorisierung wäre, dass zwischen den Parteien das genannte Verfahren für eine Autorisierung im Online-Banking überhaupt vereinbart worden ist. Darlegungs- und beweispflichtig ist insoweit die Beklagte, weil es sich um einen für die Beklagte günstigen Umstand handelt.
Der Beklagten ist es jedoch nicht gelungen darzulegen, dass zwischen den Parteien das 3D-Secure-Verfahren zur Autorisierung von Transaktionen vereinbart worden ist. Insbesondere ist durch die Beantragung dieses Verfahrens im Online-Banking unter Nutzung der Zugangsdaten des Klägers noch keine Vereinbarung der Parteien über die Verwendung des Verfahrens zustande gekommen. Vielmehr hätte es – sofern es sich um einen Antrag des Klägers handelte – jedenfalls noch der Annahme dieses Antrags durch die Beklagte bedurft. Diese hätte etwa dadurch erfolgen können, dass dem Kläger der Freischaltcode für das 3D-Secure-Verfahren zugegangen wäre (vgl. § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB). Der Kläger bestreitet jedoch den Zugang des Freischaltcodes und dessen Eingabe durch ihn. Die Beklagte erbringt den ihr diesbezüglich obliegenden Beweis nicht. Allein die Vorlage der Aufzeichnung eines diesbezüglichen Autorisierungsvorgangs durch den Kläger genügt auch hier nicht, § 675w Abs. 1 S. 3 BGB. Aus der tatsächlichen Nutzung des Freischaltcodes kann nicht gefolgert werden, dass diese Nutzung durch den Kläger erfolgt ist, denn es ist nicht auszuschließen, dass dieser von einer dritten Person abgefangen oder umgeleitet wurde.
2.
Die Beklagte kann dem Erstattungsanspruch des Klägers auch keinen Schadensersatzanspruch aus § 675 v Abs. 3 Nr. 2 BGB entgegenhalten.
a) Nach der genannten Vorschrift ist der Zahler dem ZDL zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der infolge eines nicht autorisierten Zahlungsvorgangs entstanden ist, wenn der Zahler den Schaden durch vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung bestimmter Pflichten herbeigeführt hat. Zu diesen Pflichten zählt unter anderem, alle zumutbaren Vorkehrungen zu treffen um die personalisierten Sicherheitsmerkmale vor unbefugtem Zugriff zu schützen (§ 675 l Abs. 1 Satz 1 BGB). Unbefugt ist ein Zugriff Dritter, der durch die vertraglichen Vereinbarungen zur Nutzung des Zahlungsinstruments nicht gedeckt ist (Sprau in Grüneberg, BGB 81. Aufl., § 675 l Rnr. 2).
Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in einem besonders groben Maße missachtet wurde, d.h. schon ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt wer- den und das nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Ein Augenblicksversagen ist dabei grundsätzlich nicht ausreichend. Für das Vorliegen grober Fahr- lässigkeit kann jedoch sprechen, dass der Handelnde die Gefährlichkeit seines Handelns kannte und wider besseres Wissen oder unter leichtfertiger Verkennung der Gefährlichkeit seines Tuns eine nahe liegende Möglichkeit für die Rechtsverletzung geschaffen hat, vgl. Grüneberg, BGB, 82. Auflage, § 276, Rn 14, § 277, Rn 5. Grob fahrlässig handelt demnach etwa, wer einem sich als Bankmitarbeiter ausgebenden Dritten eine TAN übermittelt (vgl. LG Köln, BeckRS 2019, 23960, Rn 19).
b) Nach diesen Maßstäben kann kein grob fahrlässiges Verhalten des Klägers festgestellt wer- den. Die Beklagte trägt diesbezüglich bereits nicht substantiiert vor, in welcher konkreten Handlung des Klägers die grobe Fahrlässigkeit bestanden haben soll. Sie trägt stattdessen alternativ zwei verschiedene Sachverhaltsalternativen (Phishing-Attacke oder Kompromittierung eines Endgeräts durch Schadsoftware) vor. Den angebotenen Beweisen für beide Alternativen war nicht nachzugehen, da es sich dabei um eine unzulässige Ausforschung des Sachverhalts handeln würde. Die Beklagte kann sich insoweit auch nicht auf einen Anscheinsbeweis stützen. Nach der Rechtsprechung des BGH sind die Regeln des Anscheinsbeweises nicht nur für die subjektiven, sondern auch für die objektiven Voraussetzungen des Anscheinsbeweises unanwendbar. Denn im Falle eines Missbrauchs des Online–Bankings gibt es keine Erfahrungssätze, die auf ein bestimmtes typisches Fehlverhalten des Zahlungsdienstnutzers hinweisen würden (vgl. BGH, Urteil vom 26.1.2016, XI ZR 91/14, juris Rn. 73 ff).
3.
Die Beklagte kann dem aus § 675 u S. 2 BGB folgenden Zahlungsanspruch des Klägers auch nicht einen Anspruch auf Zahlung von 50,00 € aus § 675 v Abs. 1 BGB entgegenhalten.
Die Klageforderung ist nicht nach §§ 389, 387 BGB in Höhe von 50,00 € erloschen, da der Be- klagten eine solche Gegenforderung nicht zusteht. § 675 v Abs. 1 BGB setzt ein Verschulden des Zahlers voraus, vgl. Grüneberg, BGB, 82. Aufl, § 675 v, Rn. 5. Vorliegend ist aber nicht ersichtlich, dass der Kläger eine Manipulation des Zahlungsinstruments vor dem Zahlungsvorgang hätte erkennen können.
4.
Ferner steht dem Kläger gegen die Beklagte aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286, 249 BGB ein Anspruch auf Freistellung von den kausal durch den Verzug der Beklagten mit der Rückerstattung des streitgegenständlichen Betrages veranlassten vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten zu.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
Richter am Landgericht
Verkündet am 20.09.2023